Freitag, 12. April 2013

Bei der Seelsorge geht niemand ans Telefon

Verrückt. Das ist das zweite Mal in meinem Leben, dass ich mich dazu durchringe, bei der Telefonseelsorge anzurufen. Und das zweite Mal geht einfach keiner ran. Und mein Herz klopft und eigentlich möchte ich sowieso ganz schnell wieder auflegen, weil ich gar nicht weiß, was ich eigentlich sagen will. Und ich warte das nächste "Tuut" ab..und das nächste...und dann lege ich auf und meine Traurigkeit mischt sich mit einer Wut. Eine Wut über diese Verantwortungslosigkeit. Ja, das ist vielleicht hart. Immerhin arbeiten die Menschen dort höchstwahrscheinlich ehrenamtlich. Doch auch als Ehrenamtliche/r trägt man Verantwortung oder nicht? Ach irgendwie möchte ich diese negativen Gedanken gar nicht weiter ausführen. Das ist so gar nicht meine Art.

Ich könnte jetzt nicht nochmal anrufen. Ich habe schon zu sehr darüber nachgedacht. So ist es immer. Ich kann Dinge nur spontan in Angriff nehmen. Sobald ich sie in meinem Kopf kurz durchspiele, sträubt sich alles in mir. Und dabei geht es nicht nur um die Entscheidung bei der Telefonseelsorge anzurufen. Es geht um kurze Anrufe bei Freunden, die ich durch schriftliche Kurzmitteilungen ersetze. Es geht um das Antworten auf einfache E-Mails oder einen Rückruf. Ich schaffe es irgendwie nicht mehr das einfach zu tun. Ich schieb es auf und hoffe irgenwann bereit dafür zu sein. Morgen. Und dann bricht der nächste Tag an und ich tue dies und das. Ich erinnere mich an mein Vorhaben und beschließe es zu verschieben. Morgen. Heute ist der Tag irgendwie schon so im vollen Gange.

Ich erinnere mich nicht, ob es anders war, als ich in *Großstadt* gelebt hab. Da hab ich auch Dinge aufgeschoben. Das macht doch jeder. Und trotzdem höre ich "jeden" zu mir sagen: "Ruf doch mal eben an, warum ist das so ein Problem für dich?". Weiß ich nicht. Kann ich nicht erklären. Ist eben so. Es ist dieses scheiß Allein-sein, was einen in diesen Trott bringt. Was würde ich dafür geben, da raus zu kommen?! Unter Menschen sein, mich wieder dran gewöhnen. Und es klappt nicht, weil ich eine wirklich gute Schauspielerin bin. Weil niemand je vermuten würde, ich könnte mich einsam fühlen oder hätte keine Freunde. Ich bin ja soo ein hübsches, lustiges und offenes Mädchen. Jaha..Bühne frei..das bin ich! Warum sollte ich neue Freunde nötig haben?
Ich schaffe es nicht das abzulegen. Zu sagen: "Hey, Lust auf ein Treffen?". Bei wem denn auch? Irgendwie passt auch niemand zu mir. Diejenigen, die emotional zu mir passen, sind mir oft nicht aktiv und lebendig genug. Und die Aktiv-Lebendigen sind mir oft zu oberflächlich. Klar, bin Ich das Problem. Meine Einstellung. Weiß ich schon. Ich analysiere mich jeden Tag ausgiebig durch. Hier das Resultat, wofür andere eine jahrelange Therapie brauchen und ich habe es mir im Seminar selbst eingestanden:
"Ich bin alleine, weil ich keine Menschen an mich ran lasse, weil ich Angst habe verlassen zu werden, weil ich nicht liebenswert bin."

Huii, jetzt ist es raus. Und jetzt wird alles besser. Pfff... Die Wahrheit ist: das bringt nichts. Es bringt nichts das zu wissen. Natürlich kämpfe ich gegenan. Ich lasse mich auf neue Leute ein, stelle Kontakte her, führe Smalltalk. Aber es kostet einfach unglaublich viel Kraft. Dieser grenzenlose Optimismus, der mich (zumindest nach außen hin) so auszeichnet, ist ausgeschöpft. Ich komm aus diesem Kreislauf nicht raus. Bemühung - Erwartung - Enttäuschung. Oh ja ich weiß: "Hab keine Erwartung." Ok, zack, eingestellt. Hab ich nicht mehr. ("Hoffentlich wird sich jetzt alles zum Guten wenden, jetzt, wo ich keine Erwartungen mehr habe.")

*Kleinstadt* war ein Fehler. Heute ist der erste Tag an dem ich es zugebe. "Bereue nichts im Leben" - wieder etwas meines grenzenlosen Optimismuses eingebüßt. Ja, nun weiß ich, dass ich ein Großstadtkind bin und *Großstadt* liebe. Kann ich jetzt wieder zurück? Nein. Noch 1,5 Jahre, dann ist der Master in der Tasche. Aaach, geht ja schnell. Die paar Tränchen an Freitagen..sind ja nur noch 72. Bald ist´s überstanden. Und bis dahin bleibt mir ja noch die Telefonseelsorge...

"Gute Reise?!"

Mein Aufbruch in die Eigenständigkeit

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Bei der Seelsorge geht...
Verrückt. Das ist das zweite Mal in meinem Leben, dass...
Kleine Schwester - 12. Apr, 21:58

Links

Suche

 

Status

Online seit 4548 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 12. Apr, 21:58

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren